Bei UI (User Interface =Nutzeroberfläche) werden die grafischen und gestalterischen Aspekte ihrer Online Plattform untersucht. Als UX-Experte (User eXperience= Nutzer Erlebnis) versucht man nicht, das Problem zu lösen, das vorgesetzt wird. Man hinterfragt und findet heraus, was überhaupt die grundlegende Frage ist und wählt dann die richtige UX Untersuchungs Methode aus. Zum Beispiel, ein Kollege kommt und sagt:
Ihr müsst die Buttons auf der Seite mit dem Bestellabschluss eures Shops optimieren – die Usability ist mangelhaft. 34 Prozent der Benutzer klicken den Abschluss-Button nicht!
Statt kurzerhand einen Usability-Test der Abschlussstrecke zu planen, tritt man besser einen Schritt zurück. Vielleicht muss weiter vorn beim Besuch der Website angesetzt werden. Möglicherweise liegt das Problem gar nicht beim Button. Grund für den Abbruch könnte beispielsweise sein, dass die Benutzer erst auf der letzten Seite sehen, dass Versandkosten zu dem Endbetrag hinzukommen. Oder dass die Lieferfrist recht lang ist. Dann sehen sie sehr wohl den Button zum Abschluss, entscheiden sich aber dennoch dagegen, ihn zu klicken.
Es bedarf weiterer Analyse und verschiedenen Ansätzen bevor festgestellt werden kann woran es liegt.
Alternativen zum Usability-Test
Umfragen & Fokusgruppen
zB:
- Eine Online-Umfrage schalten, in welcher die Besucher der Website befragt werden.
- Eine Umfrage unter den Kunden durchführen.
- Eine Fokusgruppe planen.
Bei einer Fokusgruppe diskutiert man mit sechs bis zwölf Personen über deren Erwartungen, Meinungen und Gewohnheiten. So erfährt man, wie sie denken, wie sie vorgehen und was ihnen wichtig ist.
Die Interaktion zwischen den Teilnehmern ist dabei wichtig. So bekommt man ein Meinungsbild, das vielfältiger ist, als man bei mehreren Einzelinterviews bekommen würde. Man sieht zum Beispiel. auch, wie andere auf die Aussagen Einzelner reagieren. Und man merkt, wie sehr Einzelne ihren Standpunkt verteidigen. Auch kann eine gemeinsame Diskussion über Lösungsansätze zu guten Ergebnissen führen, weil sich die Teilnehmer gegenseitig bereichern.
Die Teilnehmer für die Fokusgruppen müssen wieder aus der Zielgruppe Ihres Projekts kommen. Dabei muss auf eine bunte Mischung geachtet werden – vom Alter, dem Geschlecht, den Berufen etc. her.
Contextual Inquiry & Tagebuchstudie
Neben der Gruppendiskussion kannt man in anderen Fällen auch einzeln mit den Nutzern sprechen und Interviews führen. Eine Spezialform von Interviews ist die sogenannte Contextual Inquiry. Das Wort bedeutet Kontextanalyse, manchmal spricht man auch allgemeiner von Feldstudie oder von ethnographischer Studie.
Klingt kompliziert und wissenschaftlich, ist aber eigentlich ganz einfach. Dabei besucht man den Probanden zu Hause oder am Arbeitsplatz. Man bittet ihn, eine bestimmte Aufgabe zu lösen oder eine Tätigkeit vorzuführen. Und fragt ihn dabei, warum er was genau wie macht.Nehmen wir an, man will eine Anwendung entwickeln, welche Arzthelferinnen bei der Praxisorganisation unterstützt. Dann besuchst man eine Arztpraxis und bittet eine Mitarbeiterin, einen Anruf entgegenzunehmen. Man spielt Patient und will einen Termin. Dann siehst man der Probandin dabei zu, wie sie im Kalender nachsieht, einen Termin einträgt und speichert. Man kannt sie fragen, wie häufig sie das am Tag macht. Wie viele Fehler dabei passieren. Was sie macht, um Fehler zu verhindern. Was sie umständlich findet an der aktuellen Arbeitsweise. Wie sie mit den Kollegen zusammenarbeitet. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.
Es ist erstaunlich, wie viele Informationen man von einer Contextual Inquiry mitbringt. Schon vier oder fünf solche Besuche bei Vertretern der Zielgruppe bringen mehr Erkenntnisse als jede Literaturrecherche.
Eine weitere lohnende Methode, die sich für frühe Projektphasen eignet, ist die Tagebuchstudie. Bei dieser sucht man Personen aus der Zielgruppe, die zum Beispiel gerade vor einer bestimmten Aufgabe stehen. Nehmen wir an, man will den Konfigurator auf der Website eines Autoherstellers verbessern. Dann sucht man Personen, die planen, ein neues Auto zu kaufen. Diesen gibt man ein Tagebuch (physisch oder digital) und bittet sie, jeden Schritt darin festzuhalten, den sie unternehmen bezüglich des Autokaufs. Sie sollen also aufschreiben, wenn sie darüber mit ihrem Partner diskutieren. Wenn sie ein Auto auf der Straße ansehen und darüber nachdenken. Wenn sie ein Autohaus besuchen. Eine Fachzeitschrift lesen. Eine Website aufrufen. Ja, sogar, wenn sie nachts von Autos träumen.
Die Probanden brauchen eine kleine Schulung, damit sie gut dokumentieren, was sie tun. Aber ansonsten muss man während der Aufzeichnungsphase wenig tun. Aufwendiger ist die Auswertung, aber ungemein lohnend. Anders als bei der Contextual Inquiry kann man mit dieser Methode über einen längeren Zeitraum verfolgen, was die Nutzer wirklich tun, was sie beschäftigt und worüber sie nachdenken.
Card Sorting & Tree Test
Wenn das Projekt schon weiter fortgeschritten ist, dann bietet sich ein Card Sorting an. Dabei lässt man Nutzer echte oder virtuelle Karten sortieren, auf denen jeweils ein Begriff steht, der auf deiner Website auftaucht. So bekommt man heraus, wie eine Informationsarchitektur beziehungsweise ein Menü aussehen sollte, das die Nutzer der Website verstehen.
Beim Reverse Card Sorting, auch Tree Test genannt, hat man schon einen Entwurf der Menüstruktur. Den lässt man dann von Probanden testen. Man gibt ihnen also beispielsweise die Aufgabe, ein Einmannzelt zu finden. Die Probanden klicken sich dann durch die Navigation (oder sie durchsuchen die Karten) und zeigen die Stelle, an welcher sie das Zelt erwarten würden.
First-Click-Test & 5-Sekunden-Test
Gibt es in Ihrem Projekt bisher nur Entwürfe und nichts Interaktives, dann man trotzdem schon mit Nutzern testen. Beispielsweise mit einem First-Click-Test. Bei diesem Test setzt man Probanden vor die grafische Gestaltung einer einzelnen Seite, eines einzelnen Screens und gibt ihnen wieder eine klassische Testaufgabe. Alles, was man dann aufzeichnet, ist der erste Klick der Nutzer. Das gibt schnell wertvolle Hinweise darauf, was sie hier erwarten und wie sie mit der Seite umgehen werden.
Auch nicht länger dauert der 5-Sekunden-Test. Dabei zeigt man Probanden fünf Sekunden lang eine Webseite – ausgedruckt oder am Bildschirm. Danach fragt man sie, woran sie sich erinnern. Welche Elemente haben sie wahrgenommen, welche Texte haben sie gelesen? Was würden sie mit der Seite machen? Etwas anklicken? Weiterlesen? Zurückgehen? Es ist erstaunlich, wie viel man sich in fünf Sekunden merkt. Das gibt wertvolle Hinweise, welche Elemente viel Aufmerksamkeit auf der Seite bekommen und welche wenig. Ob das Design ankommt, ob es gefällt. Ob die Seite das vermittelt, was man gerne will.
(Jens Jacobson, Testingtime)